ER006 Gitti Hentschel: „Wir Feministinnen“ und die Gründung der taz

Warum die taz-Gründung in Zeiten von HartzIV nicht mehr möglich wäre – in diesem Gespräch erfahrt ihr das und noch viel mehr.

Dieses Mal spreche ich mit Gitti Hentschel. Sie ist seit 2007 zusammen mit Henning von Bargen Leiterin des Gunda-Werner-Instituts für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung, seit 2000 leitete sie den Vorgänger, das Feministische Institut. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Friedens- und Sicherheitspolitik mit einem Fokus auf die Geschlechterperspektive. 1978 hat sie die taz mit gegründet.

Als Kommunikationswissenschaftlerin und Sozialpädagogin hat Gitti eine spannende Biografie: Geboren und aufgewachsen im Ruhrpott in Essen in kleinbürgerlichem Umfeld, wurde sie zunächst sehr katholisch erzogen (in einer Nonnenschule, einer reinen Mädchenschule), war etwas Besonderes, weil sie Abitur machte und emanzipierte sich nach der Schule von dieser Erziehung und Sozialisation – sie zog aus und studierte in Münster Publizistik, Soziologie und Psychologie.

Um 1970 verschlug es sie schließlich nach zwei Semestern in Münster nach Berlin. Dort lebte sie in politisierten Zusammenhängen, lernte Kommunisten, Trotzkisten und anderes linkes Gesocks kennen. Schloss sich manchen an, machte um andere lieber einen größeren Bogen. Und entwickelte eine politische Haltung, die bis heute für sie wichtig ist. Im Zentrum steht für sie das Streben nach Gerechtigkeit.

Schließlich war sie dabei, als die taz zunächst als Idee, dann auch als ganz reales Projekt, als Papier in der Hand, entstand. Ein eigenes Medium, Gegenöffentlichkeit – ein Traum, der bis heute fortbesteht. Wie ist das, so ein Projekt zu starten? Was verlangt es von den Menschen, die sich dafür engagieren und wie hat sich die Zeitung aus Sicht einer der Mitgründerinnen über die Jahre entwickelt? Wie steht der Journalismus derzeit da? Was wäre richtig guter Journalismus und wie gefährden die elektronischen Medien derzeit diese Arbeit?

Weitere Stationen in Gittis Leben war Vorstandsarbeit für das 4. Berliner Frauenhaus, Mitherausgeberin der Wochenzeitung der Freitag, Mitgründerin des alternativen Radio 100, hauptamtliche Frauenbeauftragte der Alice-Salomon-Hochschule. Interessant für mich waren vor allem auch das Unverständnis zwischen West- und Ost-Feministinnen, das Gitti in den 90ern erlebte. Eine lange Zeit sprechen wir über feministische Dilemmata in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Ihr sehr: Diese Frau hat viel zu erzählen – viel Spaß beim Zuhören!

Music: SaReGaMa – Lucky Number 7 (CC-BY-NC-ND 4.0)

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3 Kommentare

  1. Ein an vielen Stellen spannender Podcast, vielen Dank dafür.
    An manchen Stellen hätte ich mir aber doch auch nochmal Nachfragen gewünscht. Beispielsweise bei der generellen Ablehnung jeglicher Pornographie: Da hätte ich mir schon ein paar Abgrenzungen und deutlichere Ausführungen gewünscht. Wie beispielsweise im CRE 198 (http://cre.fm/cre198) ausgeführt ist das auch eine sehr alte Kultur, gleichzeitig gab es ja auch feministische Pornos, ich als Schwuler widerum konsumiere seltenst Pornos in denen Frauen eine untergeordnete Rolle spielen, und auch die Einseitigkeit auf die Sexualisierung finde ich in einem so ausgedehnten Diskurs schwierig. Ich weiss, dass auch Maskulinisten in diese Richtung argumentieren mögen, denen ich stark widerspreche, weil ich schlicht auch kein hegemonialer Mann bin, hätte es dort für den Diskurs aber anregend gehalten, etwas mehr ins Detail zu gehen.
    Ebenfalls tat ich mich beim Diskurs über Frauen- und Männerhäuser schwer. Ich bin eindeutig der Meinung, dass es noch viel zu wenige Frauenhäuser gibt und es ein Skandal ist, dass es auch heute noch im Diskurs aufgrund der Geschlechternormen scheinbar Männer gibt, die meinen, ein Recht darauf zu haben, ihre Frauen zu schlagen. Denen gehört allesamt der Prozess gemacht, ebenso wie eine Studie die scheinbar beweist, dass Männer viel häufiger Opfer von Gewalt durch Frauen werden, alleine schon dadurch absurd sind, dass nicht definiert wird was sie in ihrer Forschung als Gewalt verstehen und wie psychische gegenüber physischer Gewalt zu gewichten ist. Trotzdem hätte ich es gut gefunden, auch anzusprechen dass es selbstverständlich auch Männer gibt, die in ihren Beziehungen körperlich ihrer Frau unterlegen sind. Ebenso logisch ist es, auch diesen Männern einen Schutzraum zu bieten, vor allem da es normativ noch scham-besetzter ist, wenn ein Mann angibt, dass seine Frau ihn schlägt, da er sich doch eigentlich problemlos gegen jede Frau wehren können sollte. Ich persönlich hatte hier das Gefühl, dass die Argumentation sich doch schnell auf das durchgängige Klischee zurückzog und hätte mir hier mehr Ausgewogenheit gewünscht.
    Abschließend möchte ich nochmals betonen: Ich bin Gegner des maskulinistischen Diskurses, habe aber in meiner Erfahrung häufig erlebt, dass auch auf der Gegenseite teils unbewusst Stereotypen angewandt wurden. Als Penisträger, der sich mit der sozialen Gruppe „Mann“ nicht identifizieren kann und doch häufig aufgrund von Normen häufig Klischees unterworfen wird, bin ich hier einfach sehr sensibel und ein Freund von möglichst ausdifferenzierten Argumentationen. Natürlich ist mir klar, dass dies den Podcast wohl auf eine Länge von 4 Stunden hätte treiben können. Gleichzeitig fand ich beispielsweise die erste Folge des lila-podcasts aufgrund seiner Ausgewogenheit sehr erfrischend und angenehm.
    Ich bin gespannt auf weitere spannende Diskurse und bedanke mich für dein engagiertes Veröffentlichen.

    1. Danke für den ausführlichen Kommentar!
      an vielen Stellen kann ich mich inhaltlich deinen Ausführungen anschließen. vielleicht hätte ich da mehr nachfragen sollen? der anderen Position zuliebe? ja, das wäre bestimmt eine Bereicherung.
      in der Situation selbst habe ich es nicht getan, vielleicht auch, weil das PorNo-Thema jetzt nicht so zentral für den Podcast sein sollte. oder weil es schon spät war… genau weiß ich das auch nicht.
      ich lerne noch, ich gebe mir Mühe und bin für Kritik und Ergänzungen wie deine dankbar.
      hoffe dennoch, dass aus dem Gespräch ein bisschen was mitgenommen werden konnte. jedenfalls danke fürs zuhören und das Feedback :)

    2. Es gibt ein Bedürfnis nach Pornos in denen Frauen eine unterwürfige Rolle spielen. Und zwar auf beiden Seiten. Ich weiss aus persönlicher Erfahrung, dass diese Rolle beim Sex von Frauen gerne eingenommen wird. Ob das Feministinnen nun gefällt oder nicht — es ist nicht deren call, sozusagen.

      Und, David, stelle dir vor, du lebtest mit einer gewalttätigen Frau zusammen, welche sich nicht im Griff hat (kommt vor, öfter als vielen lieb ist) — wie verhältst du dich als Mann? Es gibt im Grunde genau zwei Möglichkeiten: ertragen oder gehen (wohin?). Gegenwehr ist keine Option. Niemand würde dir Glauben schenken. Das Stereotyp Mann = Schläger steht fest wie das Amen in der Kirche.

      Dieses und viele andere Probleme, die uns Männer betreffen werden von einer neuen maskulistischen Männerrechtsbewegung angegangen werden müssen. Und nur von dieser gelöst werden können. Wir haben immer wieder erfahren müssen, dass die Frauenrechtsbewegung nichts für uns bereithält. Wir haben eine Menge zu besprechen, und zwar ohne das der Feminismus uns dafür seine Zustimmung erteilt.

      Wir sind ohne Lobby, wir haben noch nicht einmal Text im Stück „Geschlechterdiskurs“. Dieser ist fest in feministischer Hand. Jeder unserer Beiträge wird wirsch hinweggefegt. Wie kleinen Kindern wird uns zu verstehen gegeben, dass unsere Meinung nichts zählt. Das alles betrifft sicher auch schwule Männer und es ist betrüblich, dass wir es noch nicht geschafft haben euch erfolgreich zu umarmen. Aber wir arbeiten daran. Ein Anfang ist längst gemacht.

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